Vor ein paar Tagen bin ich in eine neue Ausbildung gestartet, ein Lehrgang, welcher mich seit vielen Jahren reizt. Bis jetzt hatte ich aber nicht den Mut, in dieses Feld einzusteigen. Doch ich konnte mich diesen Sommer dem Ruf nicht mehr entziehen, zu stark waren die Zeichen das die Zeit jetzt gekommen ist.
Ich habe mich also angemeldet zum Ausbildungslehrgang Sexological Bodyworker, zu deutsch somatischer Sexualtherapeut. Ich wusste schon beim Ausfüllen der Formulare, dass dies ein anspruchsvoller Weg werden würde. Und jetzt, es hat noch gar nicht so richtig angefangen, stecke ich schon mitten drin und mein Körper und meine Seele zeigten mir die Themen.
Immer wieder werde ich mit schmerzhaften Bildern konfrontiert, immer wieder werden mir Themen gezeigt, welche ich dachte, die hätte ich längst verarbeitet und erledigt. Es geht halt jetzt einfach eine Ebene tiefer, eine Schicht mehr zum Abtragen. Mein Körper zeigt mir gerade unmissverständlich, wie viele Male er missbraucht worden ist, wie viele Male er zu etwas gezwungen worden ist, was ich nicht wollte. In meiner Jugend habe ich die Stimme von meinem Körper nicht hören können, habe zugelassen, dass körperliche Aktivitäten stattgefunden haben, ohne Gefühl, ohne Respekt und ohne mein 100%iges Commitment. Ich habe mich mit vielen Männern eingelassen, welche mir und meinem Körper nicht die Wertschätzung entgegengebracht haben, die ich verdient habe. Entsprechend wurde ich hart, ich habe angefangen mich zu schützen und gegen die Welt zu gehen.
Nur ganz ehrlich, hat mich dies weitergebracht? Nein natürlich nicht! Es geht also nicht darum, gegen etwas zu kämpfen, es geht nicht darum, gegen die Liebe, die Männer, die Frauen, die Sexualität zu sein. Es geht darum zu lernen, zu fühlen, wahrzunehmen was richtig und was sich gerade falsch anfühlt, lernen Grenzen zu setzen, für sich einzustehen, nein zu sagen und nur das zuzulassen was sich richtig gut anfühlt. Wenn du im Nein, im Schmerz, im Schutz stecken bleibst, dann nimmst du dir selbst ganz viel weg. Nämlich das Gefühl richtig zu sein wie du bist, geliebt zu werden von dir selbst und von deinen Mitmenschen, von einem Mann oder einer Frau. Du nimmst deinem Körper die Möglichkeit, dir zu zeigen, wie schön es sein kann, körperliche Berührungen zu erfahren, wenn dein Körper sich entspannen kann, wenn er sich sicher fühlt, wenn er weiss, dass du Nein sagen wirst, wenn es für dich nicht stimmt.
Nimm dir das nicht weg, gehe den Weg der Heilung, auch wenn er schmerzhaft ist und sich in vielen einzelnen Facetten zeigt.
Ein Gefühl, welches sich auch stark zeigt, ist die Scham. Ich schäme mich für meine Erlebnisse, hatte lange Zeit das Gefühl, dass ich darum nicht richtig bin wie ich bin, dass ich nicht liebenswert sei. Scham, mich mit diesen Themen zu zeigen, es braucht auch heute noch viel Mut diese Zeilen zu schreiben. Doch ich weiss mittlerweile, dass dies ein Teil meiner Mission ist, über diese Themen zu sprechen und zu schreiben. Menschen dabei zu unterstützen, frei zu werden in sich, in ihrem Körper, in ihren Beziehungen mit sich und anderen Menschen. Wie würde unsere Welt aussehen, wenn wir frei über Sexualität sprechen könnten? Wenn jeder Mensch die Verantwortung für sich selbst übernehmen würde und wir einander wieder mit Respekt und Wertschätzung begegnen würden? Wenn wir einander unterstützen, Liebe zu erfahren, anstatt zu kämpfen?